NCT fördert erste Studie einer neuartigen TCR-T-Zelltherapie – Beginn der klinischen Prüfung 2027
Fortgeschrittene, schwer behandelbare Tumorerkrankungen gehören weltweit zu den häufigsten Todesursachen – direkt nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Während sogenannte CAR-T-Zelltherapien bei Blut- und Lymphdrüsenkrebs bereits große Erfolge erzielen, bleiben vergleichbare Ansätze von Immuntherapien bei soliden Tumoren – etwa in der Lunge, der Blase, im Weichgewebe oder im Kopf-Hals-Bereich – bislang deutlich weniger wirksam.
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) fördert nun einen vielversprechenden neuen Therapieansatz: In der multizentrischen ToMA4TA1-Studie wird erstmals eine neu entwickelte TCR-T-Zelltherapie bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen, soliden Tumoren klinisch geprüft. Die Studie ist auf bis zu 24 Patient:innen ausgelegt und soll die Sicherheit, die optimale Dosierung sowie erste Hinweise auf die Wirksamkeit der Therapie untersuchen. Die Studie wird vom NCT Berlin gesteuert, beteiligt sind außerdem die NCT-Standorte Dresden, Heidelberg, SüdWest, WERA und West sowie zusätzlich das Klinikum Nürnberg als Partner außerhalb des NCTs. Studienleiterin und wissenschaftlich federführend ist PD Dr. Antonia Busse, Oberärztin an der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin am Campus Benjamin Franklin. Die Charité ist Sponsor der Studie und verantwortet diese rechtlich.
Jahrelange, vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR), dem Max Delbrück Center für Molekulare Medizin (MDC) und dem Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) geförderte Forschungsarbeiten haben die Grundlage für diese Studie geschaffen. Die nun vom NCT bereitgestellte Förderung ermöglicht den Beginn der klinischen Prüfung im Jahr 2027.
Meilenstein für den NCT Standort Berlin
Der Studie liegt eine gemeinsame Initiative der Charité und dem Biotech-Unternehmen Captain T Cell, einer erfolgreichen Ausgründung aus dem Max Delbrück Center, zugrunde. „Die Förderung dieser Studie ist ein weiterer wichtiger Schritt in der Entwicklung personalisierter Krebstherapien und gleichzeitig ein Meilenstein für den Aufbau des neu gegründeten NCT Standorts Berlin, der hier wissenschaftlich im Lead ist und dessen Forschungstätigkeit nun weiter Fahrt aufnimmt“, sagt Prof. Ulrich Keilholz, Sprecher und geschäftsführender Direktor des NCT Berlin. Die Zusammenarbeit der Wissenschafler:innen von Captain T Cell und führenden Krebszentren deutscher Universitätskliniken bezeichnet Ulrich Keilholz als „beispielhaft für den Ansatz des NCTs, in deutschlandweiten Kooperationen Krebsforschung auf höchstem Niveau voranzutreiben“.
Innovativer Therapieansatz
Die TCR-T-Zelltherapie basiert auf T-Zellen, die mit einem gentechnologisch eingeführten T-Zellrezeptor (TCR) ausgestattet sind, der gezielt das Tumorantigen MAGE-A4 erkennt – ein Eiweiß, das in verschiedenen soliden Tumoren vorkommt und als vielversprechendes Angriffsziel für Immuntherapien gilt. Diese T-Zellen können nicht nur Oberflächenmerkmale von Tumorzellen erkennen, sondern auch versteckte Strukturen innerhalb der Krebszellen. Zudem wurden sie molekular so modifiziert, dass sie im feindlichen Umfeld des Tumors besser überleben und länger aktiv bleiben als andere Immunzellen.
Eine weitere, wichtige Besonderheit: Die in der ToMA4TA1-Studie verwendeten T-Zellen wurden erstmals gezielt für Patient:innen mit HLA-A1 Gewebemerkmalen entwickelt und optimiert. Die erst vor Kurzem in den USA zugelassene erste TCR-T-Zelltherapie – ebenfalls eine MAGE-A4-spezifische Therapie – richtet sich hingegen nur an Menschen mit der Gewebemerkmal-Variante HLA-A2, wodurch eine große Zahl potenzieller Patient:innen ausgeschlossen bleibt. Für diese eröffnen sich nun neue Möglichkeiten.
Hohe Relevanz für Patient:innen
Die Relevanz dieses innovativen Therapieansatzes für Patient:innen ist hoch: „Leider sehen wir in der Klinik viele Menschen, für die es keine etablierten Therapiemöglichkeiten mehr gibt und für die wir dringend neue Behandlungsoptionen benötigen“, erläutert Antonia Busse. „Neuartige TCR-T-Zelltherapien bieten in solchen Fällen die Chance auf relevante Therapieerfolge – selbst bei Krankheitsverläufen, die bisher als kaum behandelbar galten.“
„Die vorklinischen Daten sind vielversprechend und stimmen uns optimistisch, dass wir eine substanzielle Wirkung erzielen können“, ergänzt Dr. Felix Lorenz, Geschäftsführer (CEO und CSO) von Captain T Cell. „Es ist ein bedeutender Moment für unser Team, dass unsere TCR-T-Zelltherapie nun erstmals in einer klinischen Studie eingesetzt wird. Unser Ziel ist es, Patientinnen und Patienten ohne verbleibende Behandlungsoptionen eine neue Perspektive zu eröffnen.“
Patientenbeteiligung von Anfang an
Die Einschätzung hoher Relevanz teilt auch Ulla Ohlms, Sprecherin des Patientenforschungsrats am NCT Berlin und von Beginn an in die Studienentwicklung eingebunden: Als Patientenvertreterin müsse sie nicht in die Funktionsweise komplizierter Antigene, wie HLA-A1 oder MAGE-A4 eintauchen, betont sie. „Unsere Aufgabe als Patientenvertreter ist es vielmehr, zu schauen, ob und welchen Nutzen Patienten von dieser Therapie haben könnten. Bei ToMA4TA1 handelt es sich um ein „proof of concept“. Hier werden also neue therapeutische Möglichkeiten erprobt, damit Patienten weiterleben können, wenn zuvor bereits alle anderen Therapien versagt haben: Das verstehe ich unter echtem Patientennutzen“, so Ohlms.